Leitfaden wissenschaftliches Arbeiten in der Religions­wissenschaft

Umgang mit Literatur

Literaturrecherche

Die Literaturrecherche für eine Hausarbeit, ein Referat oder eine andere Arbeit ist ein Teil der zu erbringenden Leistung. Deswegen soll die Recherche selbstständig durchgeführt werden. Das Auffinden, Sichten und Bewerten der verfügbaren Literatur ist eine wichtige Kompetenz im Studium. Nachdem Sie eine erste Recherche durchgeführt haben, können (und sollten) Sie ihre Funde aber mit dem:der Dozierenden besprechen. So vermeiden Sie auch, zu viele Texte zu lesen, die Sie am Ende nicht verwenden können.

Bei der Literaturrecherche gilt es, zwei häufige Probleme zu vermeiden: Zum Einen passiert es leicht, dass man zu viel Literatur findet. Zum Anderen besteht aber auch die Gefahr, wichtige Texte nicht zu finden, die vielleicht nicht an den offensichtlichen Stellen sofort ins Auge fallen. Deswegen ist es wichtig, die Recherche von verschiedenen Stellen aus zu starten, um am Ende nicht unbedingt sehr viel, aber dafür treffende Literatur zu finden. Es gibt nicht den einen Katalog, in dem man auf die relevante Literatur stößt. Daher ist es wichtig, die verschiedenen Recherchemöglichkeiten zu kennen.

Bei der Literaturrecherche sind zwei Strategien denkbar, die auch miteinander kombiniert werden können:

Bei der top-down- Recherche fängt man bei allgemeinen Überblickswerken an: etwa bei den Fachbibliographien (oft findet man entsprechende Literaturlisten auf den Webseiten der einzelnen Institute) oder bei Lexika. Dort erhält man einen Überblick über die für die jeweiligen Fächer relevante Grundlagenliteratur, so dass man weniger Gefahr läuft, wichtiges übersehen zu haben. Auf der anderen Seite benötigt man für speziellere Literatur über ein Thema andere Quellen.

Die bottom-up- Strategie setzt bei den bereits (aus Lehrveranstaltungen oder durch vorherige Recherchen) bekannten Texten an. Die Literaturverzeichnisse von Monografien, Aufsätzen und Artikeln dienen dann als Ausgangspunkt für weitere Recherchen. Damit ist es möglich, sich auch über ein spezielleres Thema einen breiten Überblick zu verschaffen. Man macht sich die Expertise der Autor:innen, um relevante von weniger relevanter Literatur zu unterscheiden. Gerade Qualifikationsarbeiten wie Dissertationen bieten meist einen guten Überblick über den Forschungsstand zu einem Thema. Darüber hinaus findet man so wichtige Literatur, die bei einer freien Recherche im Bibliothekskatalog vielleicht nicht gefunden worden wäre.

Lexika

Einen ersten guten Einstieg in die Literaturrecherche stellen religionswissenschaftlich relevante Lexika dar. Zum Einen bieten die Artikel einen kurzen Überblick über ein Thema. Zum Anderen enthalten Sie am Ende des Artikels meist eine Reihe von einschlägigen Literaturhinweisen. Diese können für eine detailliertere Beschäftigung mit dem Thema herangezogen werden.

Beachten Sie aber, dass sich eine Arbeit nie allein auf Lexikonartikel stützen sollte. Außerdem sind die Lexika (bzw. die einzelnen Bände) z. T. schon älter, so dass Sie sich nicht darauf verlassen können, dort auch tatsächlich aktuelle Literaturhinweise zu finden.

Bibliothekskataloge

Für die Suche insbesondere nach Monografien sind die Bibliothekskataloge eine gute Anlaufstelle. Der Katalog der Ruhr-Universität ist unter http://www.ub.rub.de/ zu erreichen.

Nicht alle Bücher sind jedoch in der Universitätsbibliothek verfügbar. Daher ist es auch lohnenswert, die Kataloge der Bibliotheksverbände zu durchsuchen und Bücher ggf. per Fernleihe zu bestellen. Die Hochschulbibliotheken in Nordrhein-Westfalen haben sich zum HBZ (http://www.hbz-nrw.de/) zusammengeschlossen. Eine gleichzeitige Suche in verschiedenen Bibliotheksverbünden bietet der KVK unter http://www.ubka.uni-karlsruhe.de/kvk.html.

Im so genannten “KatalogPLUS” der Universitätsbibliothek können Sie neben dem Bestand der Bibliotheken der RUB auch Literaturnachweise aus ausgewählten Datenbanken finden. Hierüber kann eine Suche nach Aufsätzen aus Zeitschriften und Sammelbänden und nach Werken, die nicht an der RUB vorhanden sind, stattfinden.

Tipps zur Recherche

Literaturdatenbanken

Um auch an Informationen über einzelne Aufsätze zu gelangen, sind Literaturdatenbanken ein geeignetes Mittel. Eine Übersicht über die Literaturdatenbanken, zu denen die RUB einen Zugang bietet, ist unter http://www.ub.ruhr-uni-bochum.de/DigiBib/Datenbank/Gesamt.htm zu finden. Für die Religionswissenschaft relevante Datenbanken sind noch einmal separat unter http://www.ub.rub.de/DigiBib/Fachinfo/TheoLink.htm aufgeführt. Eine spezifisch religionswissenschaftliche Literatursuche wird außerdem vom Fachinformationsdienst Religionswissenschaft über das Portal RelBib (https://relbib.de/) bereitgestellt.

Einige Literaturdatenbanken bieten die Möglichkeit, direkt auf die Online-Bestände der Zeitschriften zuzugreifen. Dies ist natürlich sehr komfortabel, da man sich das Heraussuchen der Zeitschrift und das Kopieren oder sogar eine Fernleihe erspart. Es sollte jedoch nicht das Kriterium für die Literaturauswahl sein, ob eine Zeitschrift online verfügbar ist.

Die Literaturdatenbanken können zum Teil nur aus dem Campus-Netzwerk der RUB erreicht werden. Führen Sie daher die Recherche am besten von einem Campus-Rechner aus oder verbinden Sie sich von außerhalb über VPN mit dem Universitätsnetz. Eine Anleitung hierfür finden Sie unter http://www.ub.ruhr-uni-bochum.de/DigiBib/Zugang_Extern.html.

Online-Quellen

Natürlich bietet sich auch die Möglichkeit einer Internet-Recherche. Beachten Sie jedoch, dass für Online-Quellen die gleichen Qualitätsmaßstäbe gelten wie für gedruckte Werke. Einige Internet-Dienste bieten ähnlich den Literaturdatenbanken eine komfortable Möglichkeit, Literatur zu finden. Dazu gehört beispielsweise Google Scholar (https://scholar.google.de/).

Eine ganze Reihe von Internet-Quellen ist jedoch nicht für den wissenschaftlichen Gebrauch geeignet. Dazu zählt allen voran die Wikipedia. In einer wissenschaftlichen Arbeit sollten Sie sie ebensowenig zitieren wie beispielsweise den Brockhaus. Viele Internetseiten bieten sich auch eher als Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung an als als Referenz. Dies gilt zumeist auch für die Internetauftritte der Religionsgemeinschaften.

Umfassende Suche: DigiBib

Mit der DigiBib des HBZ (http://www.digibib.net/) steht eine Suchmöglichkeit bereit, die gleichzeitig verschiedene der genannten Quellen durchsuchen kann. Durchsucht werden etwa Bibliothekskataloge, Aufsatzdatenbanken und elektronische Volltexte. Eine Suche in der DigiBib deckt damit schon einige der oben genannten Recherchemöglichkeitenn unter einer einheitlichen Suchoberfläche ab. Damit ist die DigiBib ein guter Ausgangspunkt für eine umfassende Literaturrecherche. Weitere Quellen sollten dennoch berücksichtigt werden.

Wenn Sie Ihren Suchprozess dokumentieren, sparen Sie sich unter Umständen einige Arbeit. Notieren Sie zum einen die verwendeten Suchstichwörter und legen Sie zum anderen eine Liste aller im Katalog gefundener und in Erwägung gezogener Bücher an, auf der Sie vermerken, welches Buch wider Erwarten doch nicht in Frage kommt, welches vielleicht nicht am Platz war, und welches noch beschafft werden muss. Damit sparen Sie sich unter Umständen den doppelten Weg zum Regal bei einer erneuten Suche und können bei einer vertieften Suche gezielt den Pool an schon gesuchten Stichwörtern erweitern.

Literatur lesen und verstehen

Einordnung der Literatur

Eine wichtige Fähigkeit, die Sie im Laufe Ihres Studiums erlernen müssen, ist der routinierte Umgang mit Mengen an wissenschaftlicher Literatur sowie eine schnelle und zuverlässige Einschätzung ihrer Brauchbarkeit für Ihre Bedürfnisse. Dies ist auch Übungssache; einige Tipps möchten wir Ihnen aber trotzdem schon an dieser Stelle mit auf den Weg geben:

Lesetechniken

Nicht nur das Schreiben, auch das Lesen wissenschaftlicher Texte muss geübt werden. Je nach Interesse und Anforderung können dabei verschiedene Formen des Lesens angewendet werden. Vor dem Lesen sollte man sich daher überlegen, welche Ziele mit dem Lesen eines Textes verbunden sind. Dies bestimmt die Rahmenbedingungen der Lektüre:

Analytisches Lesen

Die wichtigste Lesemethode ist das analytische Lesen. Dabei sollen alle zentralen Begriffe eines Textes verstanden und die Thesen und Gedankengänge herausgearbeitet werden. Es soll sich kritisch mit dem Text auseinandergesetzt werden und sowohl gelungene Aspekte als auch Schwächen aufgedeckt werden. Hierbei kann die sogenannte PQ4R-Formel hilfreich sein:

Beim Lesen des Textes ist es sinnvoll, mit Anstreichungen und Randnotizen zu arbeiten. So wird gleich beim Lesen Wichtiges von Unwichtigem unterschieden und der Inhalt kann leichter angeeignet werden. Außerdem erleichtert es das erneute Lesen des Textes zu einem späteren Zeitpunkt. Drei Formen der Anmerkung lassen sich unterscheiden:

Markierungen und Anmerkungen sollten selbstverständlich nur bei Texten vorgenommen werden, die Ihnen persönlich gehören, nicht in ausgeliehenen Büchern. Daher ist es sinnvoll, entweder Anstreichungen in der digitalen Version eines Textes zu machen, etwa auf einem Tablet, oder mit Kopien bzw. Ausdrucken zu arbeiten. Die Lektüre auf dem Laptop/PC ist ebenfalls möglich, das Gelesene kann dabei aber oft kognitiv schlechter verarbeitet werden.

Strukturkategorien für Randnotizen. Quelle: Teilweise übernommen aus Roers, Benjamin. 2020. „Geschichte und Gegenwart meiner Notizen“. tub.torials (blog). 10. Dezember 2020. https://www.tub.tuhh.de/tubtorials/2020/12/11/vergangenheit-und-gegenwart-meiner-notizen/ unter der Lizenz CC BY 4.0. Eigene Anpassungen.
Strukturkategorie Verbundene Frage/Erläuterung Notiz am Textrand
Thema/Gegenstand Worum geht es allgemein? Thema
Fokus Worum geht es im Speziellen? Fok.
Forschungsfrage Was soll herausgefunden werden? FF
Definition Wie genau werden zentrale Begriffe verstanden? Def.
Ziel Was ist das Ziel des Textes? Was möchte er herausfinden, zeigen, infragestellen o.ä.? Ziel
These/n Was ist/sind die Antwort/en auf die Fragestellung? T bzw. T1, T2, …
Datenbasis Mit welchem Material wird gearbeitet? An welches Material richtet sich die Fragestellung und werden Thesen abgeleitet? Daten
Methode/Theorie Mit welcher Perspektive und welchem „Werkzeug“ nähert sich der Text dem Thema? Wie und auf welcher gedanklichen Grundlage wird die Fragestellung beantwortet? M/T
Forschungsstand Was wurde zum Thema bzw. zum speziellen Fokus bislang an wissenschaftlicher Literatur veröffentlicht, auf die der Text aufbaut? Fs
Angekündigtes Vorgehen Wie geht der Text im Einzelnen vor? Welche Schritte unternimmt der Text in seinem Verlauf? Vorgehen
Kernaussagen Was sind die zentralen Aussagen des Textes?
Aufzählung Wo erwähnt der Text mehrere Punkte, die nacheinander abgehandelt werden? Insbesondere auch implizite Aufzählungen. 1./2./3./…
Für mich besonders relevant Was ist darüber hinaus für mich, mein Projekt, meine eigene Fragestellung bzw. mein persönliches Interesse von Bedeutung? !
Unverständlich Welche Begriffe sind mir unklar? Welche Aussagen kann ich nicht nachvollziehen? ?
Widerspruch Mit welchen Aussagen stimme ich nicht überein? X

„Querlesen“

Um in kurzer Zeit einen Überblick über die Kerninhalte eines Textes zu gewinnen, gibt es verschiedene Lesetrategien:

Schematische Darstellung des kursorischen Lesens

Versuchen Sie nach dem Lesen noch einmal, sich den „Bauplan“ des Textes zu vergegenwärtigen: Mit welchen Punkt fängt es an, wohin geht es von da aus etc. Formulieren Sie für sich auch noch einmal die Kernthese. Wenn das funktioniert, haben Sie den Text einigermaßen sicher im Griff.

Für eine optimale Seminarvorbereitung bzw. Analyse des Textes sollten Sie nach der Erarbeitung eine kritische Auseinandersetzung anschließen. Dies kann zum einen eine Textkritik sein: Ist der Aufbau schlüssig? Werden Prämissen später wieder aufgegriffen? Ist die Argumentation geschlossen? (Sich dafür zu senisibilisieren, kann doppelt hilfreich sein – auch bei der Bewertung Ihrer Hausarbeiten oder Abschlussarbeit spielen solche Dinge eine entscheidende Rolle.) Zum anderen ist im Seminar oftmals gezielt eine sachliche Kritik am Text gefragt: Sind die Prämissen des Textes annehmbar? Sind die Belege schlüssig? Wie ist ggf. das methodische Vorgehen? Werden Werturteile vorgenommen?

Exzerpte

Um die gewonnenen Erkenntnisse dauerhaft zu sichern, ist es sinnvoll, nach der Lektüre zentraler Texte ein Exzerpt anzufertigen. Anhand der gemachten Anstreichungen und Anmerkungen lässt sich schnell erfassen, welche Passagen beim Lesen als wichtig empfunden wurden. Im Exzerpt werden diese Passagen noch einmal knapp in eigenen Worten herausgeschrieben. Dabei ist die Zusammenfassung ein sehr wertvolles Mittel, um die Argumentationslinie eines Textes herauszuarbeiten und ggf. argumentative Schwächen aufzuspüren. Auch Anmerkungen zu eigenen Leseeindrücken, Zustimmung und Widerspruch zu einzelnen Passagen können vermerkt werden. Muss später noch einmal auf den Text zurückgegriffen werden, lässt er sich anhand des Exzerpts sehr schnell vergegenwärtigen. Daher empfiehlt es sich, von gelesenen Texten immer auch ein kurzes Exzerpt zu erstellen, auf das man bei Bedarf zurückgreifen kann. Um das zu einem Text gehörige Exzerpt schnell finden zu können, ist es daher sinnvoll, die Exzerpte mit den bibliographischen Angaben in einer Literaturdatenbank zu speichern. Näheres siehe im Abschnitt Literaturverwaltung.

Für das Exzerpt kann man sich etwa an folgenden Fragen orientieren:

  1. Was ist das Thema des Textes?

  2. Welcher Fragestellung geht der:die Autor:in nach?

  3. Was ist die These in Bezug auf die Fragestellung?

  4. Was ist die Argumentationsstruktur?

Ein gutes Exzerpt fasst die Abschnitte der Textvorlage abstrahierend zusammen. Es geht nicht darum, die wichtigsten Sätze im Text zu identifizieren und in das eigene Dokument zu kopieren, sondern die Inhalte zu größeren Hauptgedanken umzuformulieren. Nur so machen Sie sich den Text wirklich zu eigen und integrieren ihn in Ihr eigenes Wissen. Je nach Struktur des Textes kann auch eine grafische Umsetzung seiner Aussagen zielführend sein.